Kommentar

Langes Warten auf die Koalition

01.03.2025 • 06:00 Uhr
Langes Warten auf die Koalition
Das Dreiergespann, das Österreich die nächsten fünf Jahre regieren wird: Andreas Babler, Christian Stocker und Beate Meinl-Reisinger. apa/techt

Regierungsbildung auf Umwegen: Nun arbeiten ÖVP, SPÖ und Neos doch zusammen. Ein Kommentar.

Gut Ding braucht Weile. Wendet man dieses Sprichwort auf die Regierungsbildung im Bund an, muss das „Ding“ – die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos – schon sehr gut sein. Sollte das erste Dreigespann seit der Nachkriegszeit am Montag angelobt werden, sind 155 Tage seit der Nationalratswahl verstrichen. Das ist in Zeiten der dringend sanierungsbedürftigen Budgets, angeschlagener Wirtschaft und Reformstau deutlich zu lange.

Vor allem muss man sich fragen, warum ÖVP, SPÖ und Neos offenbar doch fähig sind, sich zu einigen. Noch Anfang Jänner ließen die Neos die Koalitionsverhandlungen mangels Reformbereitschaft platzen, auch ÖVP und SPÖ kamen auf keinen grünen Zweig. Die Folge waren gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen den drei Verhandlungspartnern, man bekam den Eindruck, ein Kompromiss zwischen diesen Akteuren sei unmöglich.

Nachdem in der Folge Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag erhielt und es auch zwischen FPÖ und ÖVP zu keiner Einigung kam, reaktivierte das Dreier-Gespann die Verhandlungen und wurde nun in kürzester Zeit einig. Blickt man auf all das, bleibt die berechtigte Frage: Warum nicht gleich? Wenn man offenbar doch kompromissbereit ist, warum ließ man Österreich unnötig lange warten?

Zurück bleibt verbrannte Erde: Einerseits tat man Bundespräsident Alexander van der Bellen keinen Gefallen damit, die erste Verhandlungsrunde platzen zu lassen. Erstmals entschied sich ein Bundespräsident dazu, nicht die stimmstärkste Partei – in diesem Fall die FPÖ – nach der Wahl mit dem Regierungsbildungsauftrag zu betrauen. Van der Bellen gab Kickl den Regierungsbildungsauftrag nachträglich doch, nur kam es – wie von Van der Bellen prognostiziert – nicht zu einer Koalition mit blauer Beteiligung.

Zweitens versprach die ÖVP im Wahlkampf, mit Kickl als Kanzler nicht zusammenarbeiten zu wollen. Zwar kam es zu keiner Einigung, doch viele Wähler werden schon die Verhandlungszusage an den FPÖ-Chef, der im Erfolgsfall ins Kanzleramt gekommen wäre, als Wortbruch einordnen.

Als dritten Punkt muss man auch das Thema Politikverdrossenheit ansprechen. Monatelanges Tauziehen inklusive öffentlicher Schlammschlacht und am Ende doch eine Einigung – das lässt Personen, die ohnehin schon wenig Interesse für politische Vorgänge an den Tag legen, verdrossen zurück.

Positiv ist hingegen anzumerken, dass durch die Einigung eine Neuwahl verhindert wurde. Nochmals mehr als 20 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um die Wähler frühestens im Juni an die Urnen zu zitieren, wäre eine Farce gewesen. Bis dorthin wäre der Stillstand weitergegangen.

Nun liegt es an ÖVP, SPÖ und Neos, in den kommenden fünf Jahren ein vertrauensvolles Koalitionsverhältnis aufrecht zu erhalten. Man will sich nicht ausdenken, was passiert, wenn die Koalition im nächsten Jahr schon wieder scheitert. So tief, wie die Gräben zwischen den Parteien jetzt schon sind, wird eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit nicht einfacher. Und nochmals kann die Republik nicht 155 Tage warten.